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Bulimie: Ess-Brech-Sucht mit Kontrollverlust
Bulimie: Ess-Brech-Sucht mit Kontrollverlust

Bei der Ess-Brech-Sucht handelt es sich um eine Ess-Störung, die durch den Wechsel von Fressanfällen und Versuchen der Gewichtsreduktion gekennzeichnet ist. Charakteristisch ist der Kontrollverlust während den Essattacken, wobei enorme Kalorienmengen verschlungen werden. Die häufigsten Massnahmen, die unternommen werden, um die exzessive Nahrungs- und Energiezufuhr auszugleichen, sind selbst herbeigeführtes Erbrechen und der Missbrauch von Abführmitteln (Laxantien) und/oder harntreibenden Mitteln (Diuretika) sowie Fasten oder gesteigerte Bewegung.

Die Bulimie hat in den vergangenen 20 Jahren erheblich an Häufigkeit zugenommen. Zur Hauptsache sind Frauen zwischen 15 und 35 Jahren betroffen. Damit liegt das Erkrankungsalter höher als bei der Magersucht. Trotz erheblichen Gewichtsschwankungen sind die betroffenen Frauen in der Regel normalgewichtig. Deshalb wird eine hohe Dunkelziffer angenommen. Bulimie kann auch in der Folge einer Magersucht auftreten.

Der Begriff Bulimie" ist an das griechische bulimos" angelehnt, was soviel bedeutet wie Ochsenhunger".

Die Ursachen der Bulimie (Ess-Brech-Sucht) sind noch nicht endgültig geklärt. Es scheint sich um eine Kombination von verschiedenen Faktoren zu handeln. Folgende Aspekte spielen eine Rolle:

  • Soziokulturelle Faktoren: Der ausgeprägte "schlank, fit und leicht"-Trend bestimmt das jugendliche Handeln. Das individuelle Körperwohlgefühl wird nicht mehr wahrgenommen oder verdrängt
  • Biologische Faktoren: Genetische Veranlagung, das Sättigungsgefühl beeinflussende Störungen
  • Familiäre Faktoren: Hohe Leistungsorientiertheit, Überbehütung, Konfliktvermeidung
  • Individuelle Faktoren: Mangelndes Selbstbewusstsein, Hang zu Perfektionismus und Versagerängste, Streben nach Selbständigkeit und Abgrenzung, Angst vor dem Erwachsenwerden und Frau-Sein, Verlust-und Trennungserlebnisse, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper
  • Eine Diät ist oft der wichtigste auslösende Faktor bei der Entwicklung einer Ess-Störung, vor allem wenn der betroffene Mensch zur Entwicklung einer Ess-Störung neigt.

Häufigkeit

Verlässliche Häufigkeitsangaben sind wegen der hohen Dunkelziffer schwierig. Es wird geschätzt, dass in der Schweiz bis zu 8% der Bevölkerung unter Ess-Brechsucht leiden. Etwa 95% aller an Bulimie erkrankten Menschen sind weiblich und zwischen 15 und 35 Jahre alt.

Für die Bulimie gelten im Wesentlichen folgende Merkmale:

  • Fressanfälle: Wiederholte Fressattacken mit hastigem Herunterschlingen der Nahrung
  • Kompensationsverhalten: Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, erfolgen Massnahmen wie selbst herbeigeführtes Erbrechen, Diäten, gesteigerte Bewegung, Missbrauch von Abführmitteln (Laxantien) und/oder harntreibenden Mitteln (Diuretika)
  • Häufigkeit der Fressanfälle und der kompensatorischen Massnahmen: mindestens zweimal pro Woche über drei Monate
  • Ausgeprägte Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von Körpergewicht und Figur
  • Die Störung tritt nicht ausschliesslich während einer Phase der Magersucht auf
Bulimie: Ess-Brech-Sucht damit die Figur stimmt
Bulimie: Ess-Brech-Sucht damit die Figur stimmt

Die Diagnose wird aufgrund der Beschwerden gestellt.

Es werden zwei Untertypen der Ess-Brechsucht unterschieden:

  • Purging-Typ (Abführender Typ): Nach Essattacken werden alle Verhaltensweisen zur Gewichtsreduktion (Erbrechen usw.) eingesetzt.
  • Non-purging-Typ (Nicht abführender Typ): Nach Essattacken werden ausschliesslich Fasten und gesteigerte Bewegung zur Gewichtsregulierung eingesetzt.
Bulimie: Die Therapie soll zu einem normalen Essverhalten führen
Bulimie: Die Therapie soll zu einem normalen Essverhalten führen

Es gibt heute eine Vielfalt von Therapieformen und Hilfsmöglichkeiten. Ziel ist es, sowohl das Essverhalten zu beeinflussen als auch das zugrundeliegende Problem anzugehen. Der Prozess der Heilung dauert meist Jahre.

Wichtig zu wissen ist: Je früher mit einer Behandlung begonnen wird, desto grösser sind die Heilungschancen!

Eine Bulimie kann unter anderem folgende Komplikationen verursachen:

  • Mangelerscheinungen: Unausgewogene Diäten, Fasten, Erbrechen und der Gebrauch von harntreibenden Mitteln und/oder Abführmitteln können zu einem Mangel an lebensnotwendigen Salzen (Elektrolyten) wie etwa Kochsalz, Kalium oder Magnesium führen. Gleichzeitig kommt es oft zu Verschiebungen des Säuregehaltes (ph-Wert) im Blut.
    Mögliche Folgen: Herzrhythmusstörungen und andere EKG-Veränderungen, Muskelkrämpfe und schnelle Ermüdbarkeit der Muskulatur, Beeinträchtigung der Nierenfunktion, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche infolge Vitamin-und Mineralstoffmangel, Blutbild veränderungen und Nervenschädigungen, Hautaustrocknung, Haarausfall, brüchige Fingernägel, Osteoporose.
  • Hormonveränderungen betreffen zur Hauptsache die Schilddrüse, das sympathische Nervensystem und die Sexualhormone.
    Mögliche Folgen: Verlangsamter Herzschlag, sinkender Blutdruck, Schwindel, Kreislaufstörungen, fallende Körpertemperatur, Durchblutungsstörungen, Zyklusunregelmässigkeiten, Einschränkung der Fruchtbarkeit, Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhoe).
  • Regelmässiges Erbrechen führt zu folgenden Problemen: Refluxkrankheit mit Sodbrennen und Entzündungen der Speiseröhre wegen der zurückfliessenden Magensäure, Magengeschwüre, Vergrösserung der Speicheldrüsen im Bereich der Wange oder des Unterkiefers (Hamsterbacken), Zahnschäden durch häufigen Kontakt der Zähne mit Magensäure.
  • Psychische Störungen: Viele essgestörte Menschen zeigen zusätzlich zu den Ess-Störungen Auffälligkeiten im psychiatrischen Bereich wie Zwangs-, Angst -, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen sowie Depressionen.
  • Langzeitverlauf: Von den behandelten Patienten wird ungefähr die Hälfte wieder gesund. Bei einem Drittel der Betroffenen bessert sich die Essstörung, jeder Fünfte kann sich nicht aus der Sucht befreien. Für die Bulimie wird von einer Mortalitätsrate von bis zu 3% ausgegangen.

Dr. med. Gerhard Emrich

Gerhard Emrich hat in Wien Medizin studiert. Er ist Medizinjournalist mit langjähriger Erfahrung in medical writing.

Dr. med. Daniel Desalmand

Daniel Desalmand hatte in Bern Medizin studiert. Nach dem Studium hatte er mehrjährige klinische Erfahrung in Chirurgie und Innerer Medizin erworben bevor er sich dem Wissenschaftsjournalismus zugewandt hatte.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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