Niereninsuffizienz akut (Nierenversagen akut)
Der gesunde Mensch besitzt zwei funktionstüchtige Nieren.
Die Hauptaufgaben der Nieren sind:
- Filterung des Blutes und Harnproduktion, der über die ableitenden Harnwege (Blase und Harnleiter) ausgeschieden wird.
- Die Nieren kontrollieren die Zusammensetzung des Urins und regulieren dadurch den Säure-Basen-Haushalt und den Salzhaushalt (Elektrolyte) des Körpers.
- Weitere Funktionen: Bildung verschiedener Hormone, die für den Blutdruck, die Bildung der roten Blutkörperchen und den Knochenstoffwechsel wichtig sind.
Beim akuten Nierenversagen (akute Niereninsuffizienz) handelt es sich um eine plötzliche starke Einschränkung oder einen totalen Ausfall der Nierenfunktion.
Im Gegensatz zum chronischen Nierenversagen, bei dem die Nierenfunktion über viele Jahre hinweg langsam abnimmt (z.B. bei Diabetes, Bluthochdruck, chronischen Nierenentzündungen, langjähriger Schmerzmitteleinnahme), kommt es beim akuten Nierenversagen innerhalb kürzester Zeit zum Funktionsausfall der Nieren. Ohne sofortige intensivmedizinische Therapie ist dies ein lebensbedrohlicher Zustand. Beim akuten Nierenversagen erholen sich die Nieren bei rechtzeitiger und erfolgreicher Therapie in den meisten Fällen wieder vollständig.
Am häufigsten sind eine verminderte Nierendurchblutung oder eine direkte Nierenschädigung für einen akuten Funktionsausfall der Nieren verantwortlich. Seltener ist eine Abflussbehinderung in den ableitenden Harnwegen der Auslöser.
Die Ursachen lassen sich entsprechend in drei Gruppen einteilen:
1. Verminderte Nierendurchblutung:
- Herzerkrankungen wie Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
- Lungenembolie
- Starke Blutverluste (Unfallfolge, postoperative Komplikationen)
- Schwere Entzündungen mit Kreislaufversagen (Sepsis, Multiorganversagen)
- Medikamente
2. Direkte Nierenschädigung:
- Entzündungen der Nieren (Glomerulonephritis)
- Schwere Infektionskrankheiten
- Medikamente, auch jodhaltige Kontrastmittel (bei vorgeschädigter Niere)
- Störung des Immunsystems
3. Harnabflussstörungen:
- Harnstein im Harnleiter oder in der Harnblase
- Gutartige Prostatavergrösserung
- Bösartige Tumoren: Prostatakrebs, Blasenkrebs
Beschwerden, die auf eine Niereninsuffizienz hindeuten können, sind unter anderem:
- Verminderte Urinproduktion der Nieren: In der Frühphase werden statt der üblichen 1-2 Liter Urin pro Tag nur noch ein halber Liter oder weniger ausgeschieden (medizinisch: Oligurie). In der Folge wird gar kein Urin mehr ausgeschieden (= Anurie). Im fortgeschrittenen Stadium oder auch in der Erholungsphase unter Behandlung, kann es vorübergehend zu einer Harnüberproduktion kommen.
- Überwässerung des Körpers: Die verminderte Wasserausscheidung führt zu Wasseransammlungen im Gewebe, vor allem in den Beinen (Beinödeme) und in der Luge (Lungenödem).
- Harnvergiftung (Urämie): Im schlimmsten Fall kommt es durch den Filterverlust der Nieren zur Urämie. Die wichtigsten Zeichen einer Urämie sind: Allgemeine Schwäche, Unwohlsein, Appetitlosigkeit, Mundgeruch nach Urin (urämischer Fötor), Juckreiz, Übelkeit, Erbrechen, bis hin zu Bewusstseinsstörungen.
Zur Diagnose einer akuten Niereninsuffizienz werden verschiedenen Untersuchungen und Abklärungen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem:
- Krankengeschichte unter Einbezug der Beschwerden (Symptome
- Blutuntersuchungen: v.a. Elektrolyte (Blutsalze wie Kalium und Natrium), Nierenparameter
- Urinuntersuchungen
- Ultraschall der Niere und der ableitenden Harnwege
- Lungenröntgen (ob Wasseransammlungen in der Lunge oder Zeichen einer Herzschwäche bestehen)
- Weitere bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT)
- Nieren-Gewebeentnahme (Nierenbiopsie)
Die Therapie bei akutem Nierenversagen richtet sich nach der Ursache und dem Ausmass des Funktionsausfalls der Nieren. In der Regel ist eine intensivmedizinische Überwachung und Behandlung notwendig. Ziel der Therapie ist die Beseitigung der auslösenden Ursache um eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion zu verhindern. Gleichzeitig werden Symptome und Komplikationen behandelt.
Behandlung der Ursache und Symptome
- Kreislaufstabilisierung durch Infusionen und Medikamente
- Antibiotika bei bakteriellen Infektionen
- Operative Entfernung von Harnabflussstörungen wie Harnsteinen oder Tumoren
- Nierenschädigende Medikamente vermeiden
- Genaue Flüssigkeitsbilanzierung (Erfassung der zugeführten und ausgeschiedenen Flüssigkeitsmengen): Eine verminderte Harnausscheidung versucht man mit entwässernden Medikamenten (Diuretika) anzuregen. Manchmal ist es notwendig, die Flüssigkeitszufuhr zu beschränken, damit es nicht zur Überwässerung (Lungenödem) kommt.
- Ausgleich von Verschiebungen der Blutsalze (Kalium, Natrium).
- Komplikationen, wie Lungenödem (Überwässerung) oder Herzrhythmusstörungen (Kalium-Überschuss) müssen gezielt behandelt werden.
- In der Erholungsphase der Nieren, kann es vorübergehend zu einer Harnüberproduktion kommen. Die vermehrt ausgeschiedene Flüssigkeit muss entsprechend wieder zugeführt werden.
Dialyse, Transplantation
Bei einem schweren Nierenversagen wird in der Regel eine zumindest vorübergehende Dialysebehandlung (Blutwäsche) notwendig. Damit werden überschüssige Flüssigkeit und Abfallprodukten des Stoffwechsels aus de Blut gefiltert. Die Dialysen werden solange durchgeführt, bis die Nieren sich erholen und ihre Funktion wieder aufnehmen. In schweren Fällen ist bei geeigneten Patienten eine Nierentransplantation in Erwägung zu ziehen.
Bei spätem Behandlungsbeginn haben meist auch andere lebenswichtige Organe bereits Schaden genommen. Dieses sogenannte Multiorganversagen (Funktionsausfall mehrerer Organe) ist mit einem hohen Sterberisiko verbunden.
Bei frühzeitiger Therapie und gezielter Behandlung der Ursache, erholen sich die Nieren relativ schnell und es bleiben keine oder nur geringe Schäden an den Nieren zurück.
Massnahmen, die einer Niereninsuffizienz vorbeugen können, sind:
- Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Auftreten eines akuten Nierenversagens zu vermeiden bzw. dessen Risiko zu reduzieren:
- Regelmässige Kontrolle der Nierenfunktion beim Hausarzt, z.B. im Rahmen der Gesundenuntersuchung.
- Vorsicht bei längerer oder höherdosierter Einnahme von Schmerzmitteln (sogenannte Rheumamittel, auch freiverkäufliche). Insbesondere bei vorgeschädigter Niere kann ein akutes Nierenversagen ausgelöst werden.
- Ausreichende Trinkmenge: Besonders wichtig bei älteren Menschen (nachlassendes Durstgefühl im Alter), unter Einnahme von entwässernden Medikamenten (Diuretika), bei Erbrechen und Durchfall. Ausnahme: Patienten mit Herzschwäche oder Nierenerkrankungen, die zu Wasseransammlungen (Lunge, Beine) neigen, sollen ihre tägliche Trinkmenge mit dem Arzt genau festlegen.
- Patienten mit Nierenerkrankungen oder einer Herzschwäche sollen regelmässig ihr Gewicht kontrollieren, um Wassereinlagerungen frühzeitig zu erkennen.
- Vorsicht bei Untersuchungen mit Röntgenkontrastmitteln: Den Arzt immer wissen lassen, ob bereits eine Nierenerkrankung bekannt ist. Gegebenenfalls können eine sogenannte Kontrastmittelprophylaxe als Infusion oder eine alternative Untersuchungsmethode ohne Kontrastmittel erfolgen.