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Unser Hirn ist das empfindlichste Organ überhaupt.

Der knöcherne Teil des Schädels umschliesst das Hirn komplett und schützt es so vor Verletzungen bei Stürzen, Schlägen oder anderen Kopfunfällen. Gestützt wird der Schädel an seiner Basis von der Halswirbelsäule.

Der Hirnstamm ist der unterste Teil des Gehirns, am Übergang zum Rückenmark und beherbergt (unter anderem) die Steuerzentrale für Atmung und Kreislauf.

Schädel-Hirn-Trauma: Durch Sturz oder Schlag verursachte Hirnverletzungen
Schädel-Hirn-Trauma: Durch Sturz oder Schlag verursachte Hirnverletzungen

Wie der Name schon beschreibt, handelt es sich beim Schädel- Hirn-Trauma (SHT) nicht um eine Erkrankung. Ein SHT ist die Folge einer Verletzung (Trauma).

Ein Schädel-Hirntrauma SHT kann entweder nur den knöchernen Schädel und dessen Weichteile betreffen (Schädelbruch) oder aber gleichzeitig zu einer Hirnverletzung führen. Reine knöcherne Schädelfrakturen, ohne Weichteilverletzungen oder eine Kopfplatzwunde zählen nicht zum SHT. Reine Schädelfrakturen sind aber eher selten, meist sind zusätzlich Weichteile oder Blutgefässe verletzt.

Beim Schädel-Hirntrauma wird unterschieden zwischen einem gedeckten und einem offenen SHT:

Beim offenen SHT ist die Kopfhaut, der Schädelknochen sowie die harte Hirnhaut verletzt. Dabei können auch Blutgefässe verletzt werden. Dies führt zu Blutergüssen (Hirnblutungen) mit daraus resultierenden Drucksteigerung im Schädelinnern. In der Folge schwillt das Gehirn an, der Hirndruck steigt und die lebenswichtige Blut- und Sauerstoffversorgung des übrigen Gehirns wird gestört. Dies kann zu bleibenden Schäden bis hin  zum Tod führen.

Zahlreiche moderne Sicherheitsmassnahmen wie Helmtragen, Gurtenpflicht, Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz etc. haben in den letzten 15 Jahren die Häufigkeit und den Schweregrad eines SHT verringert, wie Experten schreiben. Eine Schädel-Hirn-Verletzung ist ein Schicksalsschlag, der sowohl Patienten wie auch Angehörige stark belasten kann und oft hohe medizinische und volkswirtschaftliche Kosten verursacht.

SHT Grad 1 - Leichtes Schädel-Hirn-Trauma, Hirnerschütterung

Eine unmittelbare Folge  einer mehr oder minder starken Kopfverletzung ist die Bewusstlosigkeit. Die Dauer der Bewusstlosigkeit ist ein erstes Zeichen für die Schwere des Schädel-Hirn-Traumas.

So dauert die Bewusstlosigkeit beim leichten Schädel-Hirn-Trauma (Grad 1, auch Hirnerschütterung genannt) bloss ein paar Minuten.

SHT Grad 2/3-4 - Mittelschweres bis schweres Schädel-Hirn-Trauma Beim "Mittelschweren Schädel-Hirn-Trauma" (Grad 2)  bis "Schweren Schädel-Hirn-Trauma" (Grad 3-4) ist der Betroffene zwischen 30 Minuten und länger bewusstlos. Je länger die Bewusstlosigkeit dauert, desto höher ist das Risiko für bleibende körperliche und geistige Schäden.

Während sich der Betroffene bei einer Hirnerschütterung meist innert ein paar Tagen bis Wochen Ruhe ohne Folgeschäden wieder erholt, sind sowohl das mittelschwere wie auch das schwere SHT ein lebensbedrohlicher Zustand, welcher umgehend eine intensive spezialärztliche Behandlung erfordert. Bei einer Hirnblutung mit Hirndrucksteigerung  erfolgt meist eine Notoperation, um den Hirndruck zu senken.

SHT Grad 4 Kritisches schweres Schädel-Hirntrauma

Hier liegen auch Hirnstammverletzungen vor. Der Hirnstamm beherbergt (unter anderem die Steuerzentrale für Atmung und Kreislauf.

Vor allem die Schwere der Hirnverletzung ist entscheidend für die Prognose. Verletzungen des Schädels und/oder des Hirns sind eine wesentliche und häufige Ursache von schweren Leiden, Invalidität und Tod - insbesondere bei Menschen unter 45 Jahren. 

Eine Schädel-Hirn-Verletzung entsteht durch äussere Gewalteinwirkung auf den Schädel und auf das Gehirn. Meist handelt es sich um einen Unfall beim Sport, im Strassenverkehr oder bei der Arbeit etc.

Bei Schädel-Hirnverletzungen wird unterschieden zwischen primären und sekundären Schäden.

Der primäre Schaden entsteht im Augenblick der Gewalteinwirkung. Folgen: Zerstörung von Gewebe des Schädels und des Gehirns. Das zerstörte Nervengewebe im Gehirn kann sich in der Regel nicht mehr regenerieren. Die sekundären Schäden entstehen durch eine Folge von Reaktionen, die die primäre Verletzungsfolge verstärken.

Diese sekundären Folgen können durch eine schnelle Therapie gemildert werden und sind das eigentliche Ziel der medizinischen Therapie von Schädel-Hirn-Verletzungen.

Sekundäre Schäden:

  • Verletzungen von Blutgefässen, was in der Folge zu einem Bluterguss im Gehirn  führt.
  • Drucksteigerung im Schädelinnern durch den Bluterguss
  • Hirnschwellung als Folge der Drucksteigerung
  • Durchblutungsstörung des Gehirns als Folge der Druckerhöhung und damit ungenügende  Sauerstoffversorgung und dadurch weitere Zerstörung des Gewebes
  • Je nach betroffenem Gebiet kommt es zu körperlichen und geistigen Behinderungen, die sich häufig nicht mehr zurückbilden, im schlimmsten Fall Tod.

Bewusstlosigkeit: Diese kann einige Minuten bis mehrere Stunden und sogar Tage andauern. Der Schweregrad einer Schädel-Hirn-Verletzung wird unter anderem an der Dauer der Bewusstlosigkeit gemessen.

Schädel-Hirntrauma I. Grades,

im Volksmund redet man hier auch von Hirnerschütterung (medizinisch Commotio cerebri):

  • Kurze Bewusstlosigkeit (weniger als 15 Minuten)
  • Erinnerungslücken (Gedächtnisverlust), zurückgehend auf  weniger als 24 Stunden für die Zeit während dem Unfall und für die Zeit kurz nach dem Unfall; längere Gedächtnislücken für die Zeit vor dem Unfall (sogenannte retrograde Amnesie) ist hier eher selten und weist eher auf höher gradige Hirnschäden hin.
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Schwindel
  • Licht- und Geräuschempfindlichkeit
  • Apathie, Leistungsverminderung, Kopfschmerzen, Schwindel können über mehrere Wochen nach der Hirnerschütterung anhalten.

Ansonsten erholt sich der Betroffene meist nach wenigen Wochen. Eine neurochirurgische Behandlung ist nicht notwendig. Folgeschäden sind in der Regel nicht zu erwarten.

Schädel-Hirntrauma II. Grades

(mit Gehirnprellung, medizinisch Contusio cerebri:

  • Bewusstlosigkeit zwischen 15 und 60  Minuten. Ob Spätfolgen zu erwarten sind, hängt von der Lokalisation der Hirnschädigung ab.

Der Betroffene wird in der Regel auf die Neurochirurgische Abteilung verlegt. Meist wird eine intensive Überwachung  auf der Intensivstation notwendig, um mögliche Komplikationen nicht zu übersehen.

Schädel-Hirn-Trauma III Grades (mit Gehirnquetschung, medizinisch Compressio cerebri): 

  • Bewusstlosigkeit länger als 60 Minuten.

Hier wird das Gehirn in Folge von Hirnblutungen eingeklemmt. Folge: Schäden mit Anschwellung des Gehirns und Anstieg des Hirndruckes, was die langdauernde Bewusstlosigkeit signalisiert.

Mit dauerhaften Schäden oder gar Tod ist zu rechnen. Eine teilweise oder auch vollständige Erholung ist dennoch möglich.

Viertes Kritisches Stadium eines schweren Schädel-Hirntraumas:

  • Anfängliche fehlende Pupillenreflexe oder deutlich verlangsamt, was auf Hirnstammverletzungen hindeuten kann. Der Hirnstamm ist der unterste Teil des Gehirns, am Übergang zum Rückenmark und beherbergt (unter anderem) die Steuerzentrale für Atmung und Kreislauf.

Weitere Symptome

  • Kopfschmerzen
  • Veränderungen der Bewusstseinslage (z.B. Verwirrtheit, Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung, Schläfrigkeit)
  • Unterschiedlich grosse Pupillen (wichtiges Warnzeichen!), Schielen
  • Emotionale Störung, zum Beispiel Aggressivität
  • Gedächtnislücke was die Vergangenheit betrifft (retrograde Amnesie)
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Sehstörungen
  • Schwindel, Gleichgewichtsstörungen
  • Krampfanfälle
  • Lähmungserscheinungen
  • Visuelle Halluzinationen

Auch bei einem leichten Schädel-Hirntrauma (Hirnerschütterung) sollte eine Überwachung im Spital für mindestens 24 Stunden erfolgen, da die Folgen schwer abzuschätzen sind und sich Symptome oder Komplikationen noch Stunden nach dem Unfall entwickeln können.

Menschen mit einem Schädel-Hirn-Trauma Grad 2-3  gehören umgehend in die Neurochirurgie oder zumindest in die chirurgische Notfallaufnahme.

Erste Untersuchungen am Unfallort durch den Notarzt:

  • Bewusstseinslage
  • Pupillenreaktion
  • Funktion von Armen und Beinen (Bewegungsfähigkeit, Kraft, Sensibilität)
  • Reaktion auf Schmerzreize (Kneifen, Picksen)Wenn bei Bewusstsein: Mimik, Zungenbeweglichkeit, Sprache sowie Orientierung und Gedächtnis testen (Name, welcher Tag/Monat/Jahr, Jahreszeit, Geburtstag von Eltern, Name von Partner, Arbeitgeber etc.)
  • Etwa 15% der Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma haben auch Verletzungen der Halswirbelsäule. Daher soll bei bewusstlosen Patienten - bei Verdacht Patient nicht in Seitenlage bringen! - die Halswirbelsäule stabilisiert werden, bis das Gegenteil mittels Röntgenaufnahmen bewiesen ist.

Weitere Untersuchungen:

  • Computertomographie (CT) des Schädels (Nachweis von Blutungen, Gewebeschäden, Hirndruckzeichen)
  • Röntgenbilder des Schädels: Wenn kein CT zur Verfügung steht; bei Nachweis einer Schädelfraktur Verlegung in ein Spital mit entsprechender Ausstattung.
  • Kernspintomographie (MRT): Aufgrund des hohen apparativen Aufwandes bei schwer verletzten Patienten wird die MRT nicht als primäre bildgebende Untersuchung durchgeführt. Im MRT sind kleine Gewebeschäden besser erkennbar als im CT. Eine MRT wird vor allem dann durchgeführt, wenn neurologische Symptome vorhanden sind, aber im CT keine Auffälligkeiten zu sehen sind.

Bei einem leichten Schädel-Hirntrauma (Hirnerschütterung) genügt meist eine zumindest 24- bis 48-stündige Überwachung in einem Regionalspital.

Therapie zu Hause:

  • Bettruhe
  • Verminderung von visuellen Reizen (kein Fernsehen, nicht Lesen)
  • Vermeidung von Lärm und Stress

Jede körperliche oder emotionale Veränderung muss dem behandelnden Arzt mitgeteilt werden, weil auch beim leichten Schädel-Hirntrauma verzögert Komplikationen auftreten können.

Überwachung und Therapie eines mittelschweren bis schweren Schädel-Hirntraumas

Menschen mit einer mittelschweren oder schweren Schädel-Hirnverletzung sollten in einem Zentrumsspital auf der Neurochirurgie behandelt werden.
Als Folge der Hirnverletzungen kommt es zu weiteren Schäden (Siehe Ursachen), was in einem erhöhten Hirndruck resultiert.

Die Überwachung des Hirndrucks hat deshalb Priorität. Für die Notoperation zur Druckentlastung ist nicht in allen Fällen ein Neurochirurg notwendig, auch allgemein Chirurgen können solche Operationen durchführen. 

  • Eröffnung oder Teilentfernung der Schädeldecke und gleichzeitige Behebung der Ursache für den Hirndruck (zum Beispiel Entfernung eines Blutergusses).
  • Gelingt es trotz intensivmedizinischen Massnahmen nicht den Hirndruck zu senken, wird eventuell eine erneute Schädelöffnung notwendig (Craniotomie), um durch das Entfernen eines Teils des Schädelknochens dem Gehirn mehr Platz und damit Entlastung zu geben.
  • Brüche, die das Gehirn von aussen eindrücken, können angehoben und stabilisiert werden.
  • Spalten- oder fugenförmige Brüche ohne Verschiebungen wachsen allein wieder zusammen und brauchen keine Behandlung - ausser es bestehen grössere Blutungen.
  • Brüche des Gesichtsschädels oder des Kiefers werden vom Facharzt für Mund-Kiefer- Gesichtschirurgie operiert.
  • Bei schweren Hirnverletzungen ist eine Verringerung von Folgeschäden durch eine Behandlung in einer Spezialklinik oder in einer geeigneten Institution für Frührehabilitation möglich.

Wichtig: Hirnblutungen können auch noch einige Zeit nach dem Unfall auftreten. Insbesondere Menschen, die regelmässig Blutgerinnungshemmer (Blutverdünner) einnehmen müssen, haben ein erhöhtes Risiko für eine Hirnblutung (auch verzögert). Die Folgen einer Hirnblutung sind auch für den Spezialisten schwer abzuschätzen (bleibende Lähmungen, bleibende geistige Behinderungen).

Die frühzeitig begonnene intensive Therapie hilft Sekundärschäden zu vermindern und ist ausschlaggebend für den Erfolg der Behandlung.

Bei mittelschweren und schweren Schädel-Hirnverletzungen ist nach Abschluss der medizinischen Massnahmen im Akutspital eine stationäre Frühreehabilitation in speziellen Kliniken sinnvoll. Dort werden funktionelle Defizite, welche als Verletzungsfolge auftreten, gezielt behandelt.

Den Betroffenen steht eine lange Rehabilitationsphase bevor. Sie kann mehrere Wochen bis Monate dauern.

Dr. med. Gerhard Emrich

Gerhard Emrich hat in Wien Medizin studiert. Er ist Medizinjournalist mit langjähriger Erfahrung in medical writing.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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